Prüfungsangst ist weit verbreitet und kann mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Sie steht dem schulischen Erfolg im Weg und schädigt das Selbstbewusstsein des Kindes. Wie erkennen Sie Prüfungsangst? Was bewirkt sie und wo liegen die Ursachen? Wir zeigen, wie Sie und Ihr Kind vor, während und nach der Prüfung am besten damit umgehen.
Immer mehr Kinder im Alter von neun bis 17 Jahren leiden unter Prüfungsangst, stellen psychologische Untersuchungen fest. Sie sind häufig schon im Vorfeld einer Klassenarbeit so nervös und angespannt, dass sie nicht richtig lernen können. In der Prüfung kommt es dann zum gefürchteten Blackout: Händezittern, Herzklopfen, Panik – es fällt ihnen nichts mehr ein. Mit jeder negativen Erfahrung sinkt das Selbstwertgefühl. Oft setzen Eltern und Lehrer das Kind bewusst oder unbewusst noch mehr unter (Leistungs-)Druck, indem sie ihm zu verstehen geben, es hätte nicht genug gelernt, und sei faul oder sogar dumm. Die Angst vor der nächsten Prüfung wird dann noch größer und weitere Misserfolge sind so gut wie vorprogrammiert.
Wie können Eltern helfen? Der erste Schritt besteht darin, zu erkennen, ob Prüfungsangst besteht und wie stark sie ausgeprägt ist. Manchmal äußert sie sich so versteckt, dass sie gar nicht bemerkt wird. Das kann negative Auswirkungen haben und sie weiter verstärken. In einem zweiten Schritt sollte man sich über die Ursachen und Auswirkungen von Prüfungsangst informieren, um in einem dritten Schritt wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.
Die Ursachen und Auswirkungen von Prüfungsangst
Prüfungsangst hat nicht zwangsläufig damit zu tun, dass das Kind zu wenig gelernt hat. Sie hängt vielmehr mit einem geringen Selbstwertgefühl und dem Misstrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zusammen. „Nur wer gute Noten schreibt, gilt etwas. Nur wer in der Schule gut ist, kann es später im Beruf zu etwas bringen.“ Diese und andere Sätze schwirren betroffenen Kindern ständig im Kopf herum. Die Angst vor dem Versagen führt zu Konzentrationsstörungen und blockiert das Gehirn, bis hin zum gefürchteten „totalen Blackout“. Ständig wiederkehrende Misserfolge und schlechte Noten verstärken das negative Selbstbild. Die Prüfungsangst wird mit der Zeit immer größer, was zu immer schlechteren Resultaten führt.
Das können Eltern gegen Prüfungsangst tun
Der wichtigste Schritt ist, dass Sie als Eltern verstanden haben, dass die schlechten Noten nicht hauptsächlich mit mangelnder Intelligenz oder mit fehlender Lernbereitschaft zusammenhängen, sondern dass das Problem in der Prüfungsangst besteht. Das sollten Sie auch Ihrem Kind klarmachen, das diese Zusammenhänge meist nicht durchschaut, sondern sich für einen Versager oder für nicht intelligent genug hält. Ganz wichtig: Sprechen Sie mit Ihrem Kind über diese Situation und über seine Gefühle während eines Tests oder einer Klassenarbeit.
Zeigen Sie Ihrem Kind, dass es anerkannt und geliebt wird
Das Verhalten von Eltern und Lehrern trägt einen großen Teil zum Selbstbild des Kindes und damit zu seiner Anfälligkeit für Prüfungsangst bei. Also sind die Ursachen der Prüfungsangst auch hier zu suchen. Überdenken Sie Ihr eigenes Verhalten (Reden Sie viel über gute Noten? Setzen Sie Ihr Kind womöglich unter sehr großen Leistungsdruck?) und sprechen Sie auch mit den Lehrern. Es ist wichtig, dass Sie Ihrem Kind vermitteln, dass es um seiner selbst anerkannt und geliebt wird – unabhängig von seinen schulischen Leistungen. Dadurch machen Sie ihm Mut und bauen sein Selbstbewusstsein auf.
Loben Sie Ihr Kind für die kleinen Erfolge des Alltags, die es auch außerhalb der Schule erzielt. Loben Sie es, wenn es seinen Geschwistern bei den Hausaufgaben geholfen hat, wenn es etwas geschickt gemacht hat, wenn es im Haushalt hilft, wenn es etwas Kluges gesagt oder getan hat. Loben Sie aber nicht zu vordergründig oder auffällig – Kinder haben ein sehr feines Gefühl dafür, ob ein Lob ernst gemeint ist oder ob es „strategisch“ eingesetzt wird.
Entwickeln Sie gemeinsame Strategien gegen die Prüfungsangst
Setzen Sie den Schwerpunkt zunächst nicht darauf, dass Ihr Kind möglichst viel lernt. Lernen ist auch wichtig, um mit einem sicheren Gefühl in die Prüfung gehen zu können – im Vorfeld einer Klassenarbeit dringender ist es jedoch, sich mit der Prüfungsangst auseinanderzusetzen. Geschieht dies nämlich nicht und nimmt die Angst deswegen wieder überhand, kann auf das Gelernte nicht zurückgegriffen werden. Entwickeln Sie gemeinsam mit Ihrem Kind wirksame Strategien gegen die Prüfungsangst. Es ist wichtig, dass es das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit zurückgewinnt.
Dazu gehört ein wenig psychologisches Fingerspitzengefühl: Machen Sie Ihrem Kind klar, dass die Welt nicht zusammenbricht – selbst wenn es in der Prüfung kein einziges Wort oder keine einzige Zahl zu Papier bringt. Dadurch verliert die Prüfung an Bedrohungskraft, was die Furcht davor vermindert. Vielleicht gehen Sie mit Ihrem Kind verschiedene Situationen im Kopf durch, die während der Prüfung auftreten könnten, und überlegen, was dann konkret helfen könnte.
Ein wichtiger Baustein: der Lernplan
Damit im Vorfeld der Prüfung keine Panik aufkommen kann, ist eine gute Vorbereitung das A und O, denn diese gibt ein sicheres Gefühl. Beim Lernen können Sie Ihrem Kind Hilfestellung geben:
- Machen Sie gemeinsam einen Lernplan. An dessen Anfang verschaffen Sie und Ihr Kind sich einen Überblick über den zu lernenden Stoff und verteilen das Lernpensum auf die verbleibenden Tage. Am Ende des Lernplans steht eine simulierte „Klassenarbeit“, auf die ein Ruhetag folgt.
- Ermutigen Sie Ihr Kind, den Lernstoff – wenn möglich – grafisch umzusetzen. Das kann in Form einer Tabelle oder eines Schaubilds sein. Dann bleibt er besser im Gedächtnis.
- Ebenfalls eine gute Strategie stellt das Festhalten und Abfragen des Lernstoffs mithilfe von Karteikarten dar.
- Ein Trick: Lassen Sie Ihr Kind einen „Spickzettel“ schreiben. Ein Spickzettel hat die Eigenschaft, dass dort alle wichtigen Informationen für die Prüfung enthalten sind. Natürlich soll dieser nicht mit in die Prüfung genommen werden, sondern er dient nur als Übung, den wichtigsten Lernstoff zusammenzufassen.
- Während der Lerntage sollten die Hobbys und der Sport nicht vernachlässigt werden. Diese Entspannungsphasen sind genauso wichtig wie das Lernen selbst.
- Auch während des Lernens sollten immer wieder kleine Pausen gemacht und es sollte auch mal an die frische Luft gegangen werden.
- Sie können die Motivation Ihres Kindes zusätzlich unterstützen, indem Sie ihm frisches Obst oder ein Schälchen mit Süßigkeiten an den Schreibtisch bringen. So wird die Lernsituation mit etwas Angenehmem in Verbindung gebracht.
Die simulierte „Klassenarbeit“, die am Ende geschrieben wird, sollte idealerweise vom Lehrer als Übung für alle Kinder zur Verfügung gestellt werden. Im Notfall können Sie aber anhand der Übungsaufgaben und nach dem Muster älterer Arbeiten selbst eine „Klassenarbeit“ zusammenstellen. Die Aufgaben sollten einen steigenden Schwierigkeitsgrad haben. Achten Sie darauf, dass Ihr Kind dabei nicht überfordert, aber auch nicht unterfordert wird. Geben Sie ihm einen zeitlichen Rahmen in der Länge einer normalen Klassenarbeit vor, in dem die Aufgaben erledigt werden müssen.
Diese Übung dient dazu, das Gelernte zu überprüfen und eventuelle Wissenslücken zu entdecken. Sie hat jedoch noch eine viel wichtigere Funktion: Der Lernstoff wird nicht in einer konkreten Prüfungssituation im Klassenzimmer, sondern in Ruhe zu Hause abgefragt. So kann Ihr Kind beruhigt feststellen, dass es den Lernstoff im Grunde beherrscht. Wenn es diese „Klassenarbeit“ zu Hause gemeistert hat, hat es sich an die Prüfungssituation schon einmal gewöhnt. Es ist jedoch wichtig, dass mindestens ein Tag zwischen dieser und der richtigen Prüfung liegt. Ein Tag zum Ausruhen und eventuell auch zum Schließen von Wissenslücken, aber auch, um sich noch einmal mit Strategien gegen die Prüfungsangst vor dem Hintergrund, dass man ja schon eine „Probeklassenarbeit“ erfolgreich hinter sich gebracht hat, auseinanderzusetzen.
Bei diesem Lernplan und der anschließenden Wissensüberprüfung bietet sich auch professionelle Hilfe an wie zum Beispiel in einem Nachilfe- oder Lernstudio.
Geben Sie Ihrem Kind Ratschläge mit, an denen es sich in der Prüfung „festhalten“ kann
Nervosität in einer Prüfung ist etwas völlig Normales. Jeder kennt sie, auch die „Einser-Schüler“. Sie kann einem sogar helfen, das Beste aus sich herauszuholen. Nur darf sie nicht überhandnehmen, nicht in Angst umschlagen. Ein „Blackout“ ist kein gefürchteter Schicksalsschlag, sondern selbst produziert. Wenn man sich das klarmacht und auch noch weiß, wie man ihn durch Selbstberuhigung verhindern kann, ist dies das beste Mittel, um ihn zu vermeiden. Wenn man merkt, dass Panik in einem hochsteigt, sollte man tief durchatmen und an etwas Schönes denken. Es gibt auch bestimmte Entspannungstechniken, die dann angewendet werden können. Damit das Gehirn funktionieren kann, braucht es beruhigende, positive Gedanken.
Solche können Sie Ihrem Kind in die Prüfung mitgeben, damit es vorher und währenddessen darauf zurückgreifen kann, um sich zu beruhigen. Es können Sätze wie diese sein:
- Eine Prüfung hat auch etwas Positives: Jetzt hast du endlich die Gelegenheit, zu zeigen, was du alles gelernt hast.
- Es ist normal, dass du ein bisschen nervös bist. Du kannst es sogar nutzen, um das Beste aus dir herauszuholen.
- Ich glaube an dich, ich weiß, dass du es schaffst. Selbst wenn kein gutes Ergebnis dabei herauskommt, weiß ich, dass du vorher alles gewusst hast. Und das ist das Wichtigste.
- Es ist noch lange nicht „alles verloren“, selbst wenn du den ein oder anderen Fehler machst oder eine einzelne Aufgabe nicht lösen kannst.
- Wenn du etwas nicht weißt – keine Panik: Mach einfach mit der nächsten Aufgabe weiter. Für die „Problemaufgabe“ hast du dann am Schluss immer noch Zeit, und die anderen Punkte sind dir sicher, bevor du dich verzettelst.
- Verschaffe dir eine Übersicht über alle Aufgaben, bevor du beginnst, und schreibe ordentlich, um den Überblick nicht zu verlieren.
- Wenn du die Prüfung hinter dich gebracht hast, machen wir etwas Schönes zusammen.
Ganz wichtig! Die Belohnung nach der Prüfung
Belohnen Sie Ihr Kind nach einer Prüfung und kündigen Sie dies vorher an. Sagen Sie ganz konkret, was es nach der Schule Schönes bekommen wird, oder dass Sie sein Lieblingsessen kochen oder was Sie Tolles gemeinsam unternehmen werden. Das kann eine Hilfe bei der Überwindung der Prüfungsangst sein, denn Ihr Kind kann sich während der belastenden Prüfungssituation darauf freuen, dass danach ein schönes Erlebnis wie zum Beispiel zum Pizzaessen gehen oder ein Ausflug ins Schwimmbad wartet – egal, ob es in der konkreten Situation nun „versagt“ oder nicht.
Wenn sich das Problem der Prüfungsangst verschlimmert oder trotz Ihrer Unterstützung nach einiger Zeit nicht besser wird, besorgen Sie sich professionelle Hilfe – zum Beispiel beim Schulpsychologen oder bei einer Lernberatung.
So erkennen Sie Prüfungsangst
- Ihr Kind ist unruhig, macht einen nervösen Eindruck.
- Sie bemerken Stimmungsschwankungen, die bis zu ständiger Unlust und Antriebslosigkeit oder sogar Depressionen reichen können.
- Ihr Kind klagt über Übelkeit, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen.
- An dem Tag, an dem die Prüfung geschrieben werden soll, wird Ihr Kind scheinbar (?) krank oder schwänzt die Schule.
- Das Thema „Klassenarbeiten“ ist ein Reizthema und/oder Ihr Kind spricht häufig sorgenvoll davon.
- Es wird pausenlos gelernt.
- Es wird überhaupt nicht gelernt – mit dem Argument, es mache sowieso keinen Sinn.
- Auch wenn viel gelernt wurde, kommt trotzdem eine schlechte Note dabei heraus.