Als ich das erste Mal mit dem Nachhilfeportal.de in Berührung kam, war ich erstaunt über das vielfältige Nutzungsangebot, das es zur Verfügung stellt. Besonders überrascht war ich von einem sehr gut entwickelten virtuellen Klassenzimmer, das eigens für Online-Nachhilfe konzipiert wurde.
Vielleicht waren Sie genauso neugierig wie ich, wie Online-Nachhilfe durch das Nachhilfeportal.de realisiert werden kann und haben sich dort umgesehen, es vielleicht sogar schon ausprobiert. Möglicherweise haben Sie jedoch den Raum bald wieder verlassen, und konnten sich nicht so recht vorstellen, in einer solchen Umgebung zu unterrichten. Einige unter Ihnen werden den Link zur Online-Nachhilfe gar nicht erst angeklickt haben, fest davon überzeugt, dass Ihre bisherige Form der Präsenznachhilfe die einzig richtige sei.
Doch wie ist das nun? Würde es sich lohnen sich mit dem Thema Online-Nachhilfe für Ihre Praxistätigkeit näher auseinander zu setzen? Welche Vorteile ergeben sich durch die neue webbasierte Nachhilfeform – und wo liegen die Unterschiede zwischen beiden Systemen? Auf den Punkt gebracht: Was ist eigentlich besser?
Um Sie gleich zu enttäuschen: Keines von beiden ist besser. Einfach nur deshalb, weil es sich um zwei unterschiedliche Nachhilfesysteme handelt, mit ihren jeweils spezifischen Vor- und Nachteilen.
Doch weil diese Aussage aus wirtschaftlichen Gründen nicht zählt und insbesondere indisch-amerikanische „Offshore Tutoring“ Unternehmen – neben dem Marketingaspekt - die skeptischen Äußerungen ihrer Kritiker aushebeln wollten, wurde bei einem der größten Unternehmen der Branche eine Studie mit 200.000 Nachhilfekräften durchgeführt, um festzustellen ob Online-Nachhilfe in der Summe genau so effektiv ist, wie Präsenznachhilfe. Die schlichte Antwort lautet: Ja.
Doch dabei möchte ich es nicht belassen. Möchte man einen ernsthaften Vergleich anstellen, müssen zuerst Kriterien ausgemacht werden, die einen Vergleich zulassen.
Folgende fünf Kriterien (bzw. Wirkfaktoren), die eine Nachhilfekraft durch ihr unterrichtliches Handeln qualitativ beeinflussen kann, sind gut untersucht worden. Es sind die folgenden Kernpunkte auf die es bei „guter“ Nachhilfe ankommt!
1. Time on Task (Nutzung der zur Verfügung stehenden Nachhilfezeit)
2. Umgang mit Vorwissen und Grundwissenslücken
3. Berücksichtigen der individuellen Bezugsnormierung (vs. der sozialen
Bezugsnormierung).
4. Vermittlung von Lernstrategien
5. Förderung selbstkontrollierten Lernens.
Anhand unserer Untersuchung konnten wir feststellen, dass bei Online-Nachhilfe die effektiv genutzte Lernzeit deutlich höher ausfällt als bei Präsenznachhilfe. Durch wenig Ablenkungsmöglichkeiten von Außen und auf die Abläufe am Bildschirm konzentriert, bekommen die Schüler mehr direkte Feedbacks mit einer Orientierung an der individuellen Bezugsnormierung.
Anders als bei Präsenznachhilfe benötigen Online-Tutoren allerdings noch weitere Qualifikationen, denn sie besetzen im Grunde genommen eine „Zwitterrolle“, die eines Nachhilfelehrers und die eines Teletutors. Folgende Kompetenzen werden deshalb von Online-Nachhilfekräften vorausgesetzt, um effektiv über ein virtuelles Klassenzimmer Nachhilfe geben zu können:
1. Methodisch-didaktische Anforderungen
Dabei geht es um das Erstellen didigtaler Lehr-und Lernmaterialien, bzw. die Fähigkeit Lerninhalte über das „virtual shared Whiteboard“ schülergerecht präsentieren zu können.
2. Kommunikative Anforderungen
Anders als bei der „Face-to-Face“ Kommunikation können über das Internet nicht alle Sinnesmodalitäten angesprochen werden.
3. Technische Betreuung von Lernenden
Um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten, müssen Online-Tutoren in der Lage sein schnelle Lösungen bieten zu können, sollte der Lernende mit der Umgebung nicht zurecht kommen oder wenn unvorhergesehen ein technisches Problem auftritt.
Die Annahme, Online-Nachhilfe bietet weitere Vorteile, dadurch dass man sich Wege spart und bequem von zu Hause aus unterrichten kann, täuscht.
Online-Nachhilfe muss von vornherein gut organisiert und geplant sein, damit sie ordentlich umgesetzt werden kann. Damit eine Nachhilfekraft die Inhalte medien- und schülergerecht aufbereiten kann und sich nicht in lange Diskussionen über die anstehenden Lerninhalte verliert, sollte sie bereits vor Nachhilfebeginn wissen, welche Lerninhalte in der jeweiligen Nachhilfeeinheit behandelt werden sollen.
Des Weiteren sollten Regeln im Vorfeld vereinbart werden, die den organisatorischen Ablauf vereinfachen. Vor dem eigentlichen Nachhilfebeginn wäre es sinnvoll den Schüler in die Umgebung einzuführen und die Funktionalitäten entdecken zu lassen. Dieses kann schon anhand kleiner Lernübungen geschehen, um den Nachhilfebedarf und die Lücken im Vorwissen auszumachen.
Bei der Exploration der Lernumgebung wäre es auch sinnvoll festzuhalten wie die Aufgabenbearbeitung stattfindet. Ideal wäre es, wenn sowohl Nachhilfeschüler als auch Lehrer über ein geeignetes Eingabegerät verfügen (mit einem Grafiktablett oder einem Tablett-PC lassen sich die Aufgaben auf dem „Virtual Whiteboard“ lesbarer und schneller darstellen, als vergleichsweise mit der Maus). Sollte der Schüler nicht die Möglichkeit haben mit geeigneter Peripherie die Aufgabe zu erarbeiten, könnte er die einzelnen Arbeitabläufe erklären und diktieren, was die Nachhilfekraft auf der virtuellen Tafel schreiben sollte. Weniger sinnvoll ist es dem Schüler die Aufgaben vorzurechen und zu erklären. Ein lehrerzentrierter Unterrichtsablauf lässt eine echte Verständnisüberprüfung kaum zu!
Werden die anfangs genannten fünf Wirkfaktoren, die Einfluss auf die Nachhilfequalität haben, beachtet, optimieren Sie Ihr Nachhilfehandeln. Berücksichtigen Sie weiterhin als „Online-Nachhilfekraft“ die dargestellten teletutoriellen Faktoren, stellt dies durchaus eine sinnvolle und ernstzunehmende Alternative gegenüber Präsenznachhilfe!
Dr. Martin van Kessel studierte Lehramt an Hauptschulen und ist an einer Mittelschule als Lehrer tätig. Er promovierte zum Thema "Optimierungsmöglichkeiten für Nachhilfe". Die Weiterbildungsmaßnahme zur staatlich anerkannten Beratungslehrkraft an der ALP Dillingen und sein Masterstudium "Educational Media" an der Universität Duisburg-Essen runden sein berufliches Profil ab.