Legastheniker sind in unseren Schulen sehr gefordert, meistens überfordert. Ihr Lernauf-wand übertrifft das von nicht legasthenen Altersgenossen um ein Vielfaches. Somit stellt die Leserechtschreibstörung eine enorme Belastung für Kinder, Eltern und Lehrkräfte dar, sodass Prävention, Förderung und Therapie in Wissenschaft und Forschung vordringliche Themen werden.
Problemstellung
Legastheniker sind in unseren Schulen sehr gefordert, meistens überfordert. Ihr Lernauf-wand übertrifft das von nicht legasthenen Altersgenossen um ein Vielfaches. Somit stellt die Leserechtschreibstörung eine enorme Belastung für Kinder, Eltern und Lehrkräfte dar, sodass Prävention, Förderung und Therapie in Wissenschaft und Forschung vordringliche Themen werden. Eine sehr früh ansetzende Förderung und Therapie dieser Kinder - möglichst schon im frühen Vorschulalter - sollte als logische Schlussfolgerung aus diesen Erkenntnissen resultieren. Eine fundierte, Freude bereitende Vorsorge, sowie eine adäquate schulische Förderung können zu einer Verringerung der oft schwerwiegenden Folgeprobleme mangelnder Sprach- und Schriftsprach-Kompetenzen beitragen.
Die PISA-Studie, welche die Basiskompetenzen von Schülern im internationalen Vergleich prüfte, enthüllte die ernüchternden Tatsachen, dass der prozentuelle Anteil der deutschen Kinder mit extremen Leseschwierigkeiten überdurchschnittlich hoch ist. Eine Wiener Längsschnittstudie zeigte, dass die Fähigkeiten der schwächsten Leser am Ende der achten Klasse dem Stand eines unauffälligen Kindes in der ersten oder zweiten Klasse entsprechen. Nicht allein der Schriftspracherwerb, sondern auch die Leistungen in vielen anderen Fächern, wie vor allem auch in der Mathematik, bleiben nachhaltig beeinträchtigt, sodass bei einer vorliegenden Legasthenie nicht selten die gesamte schulische und berufliche Entwicklung markante Einbußen erleidet. Die Leistungsrückstände werden im Laufe der Schulzeit trotz normaler Intelligenz und guter sozialer Herkunft immer größer. Die Betroffenen schließen ihre Schullaufbahn seltener mit Abitur ab und wählen häufig handwerkliche Berufe, die keine sprachlichen Kompetenzen erfordern. Auch Folgeprobleme in psychischen und zwischenmenschlichen Bereichen treten überzufällig häufig auf, wie z. B. Auf-merksamkeitsstörungen, Schul- und Versagens-Ängste, mangelnder Selbstwert, häufige Kopf- und Bauchschmerzen, sowie Aggressionen und im schlimmsten Falle asoziale Verhal-tensweisen und kriminelle Aktivitäten.
Die zugrunde liegende Problematik der Legasthenie, bzw. der Lese-Rechtschreib-Störung erstreckt sich über weite Bereiche der Sprachfertigkeiten. 50 - 70 % der Lese-Rechtschreib-Störungen gehen von einer frühkindlichen Sprachentwicklungsstörung und –Verzögerung aus. Das Sprachverstehen, das sprachliche Gedächtnis und das Leseverständnis erweisen sich in einem Großteil der Fälle als eingeschränkt. Legastheniker beherrschen vor allem we-gen ihrer markanten sprachlichen Merkschwäche ihre Muttersprache in der Regel nicht aus-reichend, um den schulischen und beruflichen Anforderungen - ihrer Begabung entsprechend - gerecht zu werden.
Förderung und Therapie
Wissenschaftlich begründete und in der Praxis erprobte Handlungsmöglichkeiten zur Förde-rung von Sprache können den gesamten schulischen Erfolg der Kinder verbessern. Die Vermittlung allgemeiner Lernstrategien – auch zum Erwerb von Fremdsprachen, die Förderung des Le-sens und des Leseverstehens müssen schon im Unterricht im Vordergrund stehen.
Motivationsanreize zur Beschäftigung mit Sprache sollten von Anfang an geboten werden (Hörbücher: Gedichte und Erzählungen, am besten mit Kopfhörern gehört). So kann z. B. das Sprachverständnis und -gedächtnis sehr verbessert werden, durch das konsequent-tägliche Vorlesen von Gedichten, die mit Bildern illustriert sind (Wilhelm Busch, Globi und Papa Moll aus dem Globi-Verlag).
Die visuellen Fertigkeiten sind bei Legasthenikern häufig gut ausgebildet, sodass diese beim Lernen und Unterrichten, sowie in der Therapie überwiegend genutzt werden sollten. Bilder, Symbole, Tabellen und Grafiken, sowie Mindmaps erleichtern den Legasthenikern das Lernen erheblich. Nichtsprachliche Möglichkeiten der Leistungsüberprüfung sollten das mittel der Wahl darstellen.
Der Ausbau der frühkindlichen Sprachentwicklung, ein zusätzliches Grundschuljahr, extra Klassen oder Schulen für Legastheniker wären wünschenswert, stellen aber leider vielfach lediglich Zukunftsvisionen dar.
Legasthenikern soll mit den beschriebenen Handlungsmaßnahmen die Chance geboten werden einen Schul- und Berufsabschluss zu erreichen, der ihrer Begabung entspricht.
Autorin
Dr. Häfele Hemma, (Jg. 1946), Studium der Medizin und Psychologie, Mutter von drei Kindern,
Fachfrau für Lern- und Entwicklungsstörungen (Legasthenie, Dyskalkulie, Sprachentwicklung), Psychotherapeutin
Verfasserin folgender Fachbücher: Bessere Schulerfolge für legasthene und lernschwache Schülerinnen durch Förderung der Sprachfertigkeiten
- Band 1: Informationen zu Theorie und Diagnose für Therapeutinnen, Lehrerinnen und Eltern.
- Band 2: Praktische Maßnahmen für zu Hause, für den Unterricht und zur außerschulischen Förderung
Der genaue Inhalt und Leseproben sind über folgende Website nachzulesen: www.lernpraxis.org
Weitere Bücher zu folgenden Themen liegen konzeptionell vor und werden in absehbarer Zeit erscheinen: Frühkindliche Sprachentwicklungsstörung und ihre schulischen Auswirkungen, Rechenstörung, Englischlernen für Legastheniker.